Oh je, was müssen Sie noch alles machen?
Kennen Sie diesen Moment, in dem Ihnen jemand sagt: „Das müssen Sie ab … ebenfalls machen!? Bei solchen Hiobs-Botschaften wünschen sich die meisten, dass der nächste Urlaub am besten schon heute beginnt. So fühlen sich auch manchmal meine Kunden, wenn ich Ihnen erkläre, wie man eine gute und gerichtsverwertbare Verlade-Organisation aufbaut. In diesem Blogbeitrag müssen wir uns einem Thema widmen, das schon lange wie ein Damokles-Schwert über uns schwebt und seit einiger Zeit durch die Kontrollorgane des BALM (Bundesamt für Logistik und Mobilität, – ehemals BAG) und auch der Polizei manchmal niedergeht. Es handelt sich um die EU-Verordnung zur Kabotagebeförderung (VO (EG) Nr. 1072/2009). Kabotage ist der gewerbliche Güterverkehr mit Be- und Entladeort in einem Staat, der von einem Unternehmer durchgeführt wird, der in diesem Staat weder seinen Sitz noch eine Niederlassung hat. Da die meisten meiner Blog-Leser aus Deutschland kommen, nutzen wir hier die Maßnahmen in der BRD. Sollten Sie aus Österreich oder aus einem anderen Land der EU kommen, so müssen Sie selbst nachforschen, wie Ihr Land dies handhabt. Die Rechtsprechung des EuGH hat herausgestellt, dass es den einzelnen Mitgliedstaaten obliegt, wie bzw. wo die Kabotagebeförderung abgegrenzt wird.
Durch die Verordnung aus dem Jahr 2009 ist es zulässig, dass ein Transportunternehmer mit Sitz in einem EU-/EWR-Staat im Anschluss an eine grenzüberschreitende Beförderung nach vollständiger Entladung des Fahrzeugs eine Kabotagebeförderung durchführt. Zudem kann innerhalb von drei Tagen nach Einfahrt in die BRD mit einem unbeladenen Fahrzeug eine Kabotagebeförderung durchgeführt werden. Dies ist aber nur zulässig, wenn zuvor eine grenzüberschreitende Beförderung in einen anderen EU-Mitgliedstaat stattgefunden hat. Ist das Fahrzeug leer vom Staat des Unternehmenssitzes, z. B. Polen, zu uns nach Deutschland gefahren, ist ein innerdeutscher Transport illegal. Es sind maximal drei Fahrten innerhalb von sieben Tagen zulässig. Danach muss das Fahrzeug den jeweiligen Staat verlassen und darf frühestens nach vier Tagen, wovon zwei Werktage sein müssen, wieder in diesem Staat eine Kabotagebeförderung durchführen. Diese Regelungen gelten aber nicht nur für die großen Sattelzüge, sondern auch für Fahrzeuge mit einer zulässigen Gesamtmasse < 3,5 t, also z. B. einem Mercedes Sprinter
Sehr wichtig ist, dass der Fuhrunternehmer seinen Sitz einem der EU-/EWR-Staaten hat. Ist dies nämlich nicht der Fall, so ist eine Kabotagebeförderung verboten. Die bilateralen Abkommen zwischen der BRD und den jeweiligen Drittstaaten sowie das CEMT-Abkommen schließen die Kabotage kategorisch aus. Die Durchführung der grenzüberschreitenden Beförderung und deren vollständige Entladung ist durch das Fuhrunternehmen bzw. den Fahrer nachzuweisen. In der Regel dient dazu der CMR-Frachtbrief.
Gemäß dem Kölner Verwaltungsgerichtsurteil vom 31.05.2021 gilt in Deutschland, dass jede Beladung des jeweiligen Fahrzeugs zählt. Als Beispiel: Sie sollen auf einen LKW zwei Paletten laden. Der LKW wurde bereits bei drei anderen Unternehmen vorgeladen – dann ist Ihre Zuladung illegal. Sollten Sie das Urteil im Internet suchen und sich durchlesen, werden Sie feststellen, dass die Richter nicht gerade sattelfest sind, wenn es um die Benennung beteiligter Parteien geht, aber gemeint haben sie das Unternehmen, auf dessen Grundstück eine Beladung stattfand bzw. stattfindet.
Der Absatz 3 des Artikel 8 der VO (EG) Nr. 1072/2009 gibt Folgendes vor, um die Einhaltung der Vorgaben kontrollieren zu können: „Innerstaatliche Güterkraftverkehrsdienste, die im Aufnahmemitgliedstaat von gebietsfremden Verkehrsunternehmern durchgeführt werden, gelten nur dann als mit dieser Verordnung vereinbar, wenn der Verkehrsunternehmer eindeutige Belege für die vorhergehende grenzüberschreitende Beförderung sowie für jede durchgeführte darauf folgende Kabotagebeförderung vorweisen kann. Falls sich das Fahrzeug innerhalb der Frist von vier Tagen vor der grenzüberschreitenden Beförderung in dem Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats befunden hat, muss der Verkehrsunternehmer zudem eindeutige Belege für alle Beförderungen vorlegen, die in diesem Zeitraum durchgeführt wurden.“
Lange Rede, kurzer Sinn. Warum habe ich diesem Blogbeitrag diesem Thema gewidmet? Die meisten gehen davon aus, dass es sich bei Verstößen gegen diese Kabotageregeln um ein Problem von Frachtführer und Fahrer handelt. Jedoch sehen dies unsere Kontrollorgane und auch die Rechtsprechung anders. Der Verlader eines Gutes muss ebenfalls sicherstellen, dass die EU-Regeln eingehalten werden. Daher sind in den letzten Jahren einige Anhörungsbögen und Bußgeldbescheide in den Briefkästen von verladenden Betrieben gelandet. Mir ist bewusst, dass die Kontrolle der Frachtdokumente eines Fahrers, der bei Ihnen am Hof steht, einen erhöhten Verwaltungsaufwand darstellt. Mir ist auch bewusst, dass die Kommunikation mit den Fahrern nicht immer sehr einfach ist. Jedoch müssen Sie damit rechnen, wenn Sie ein Fahrzeug illegal beladen, dass Ihr Unternehmen ein Bußgeld von 1.800 € oder mehr bezahlen muss. Noch ein letzter Punkt. Der Fahrer kann sich nicht auf die DSGVO berufen. Er ist verpflichtet, Ihnen eine Auskunft und Belege dazu zu geben.
Damit Sie es im Alltag leichter haben, habe ich Ihnen hier noch eine Kabotage-Checkliste zum Download bereit gestellt.
© Copyright L.K.W. Schmid